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Eskalationsprozesse darstellen

Üben Sie Ihre Prozesse für eine potenzielle Krisensituation ein. Dafür müssen Kommunikation und Zuständigkeiten einwandfrei funktionieren. Dieser Beitrag gibt Ihnen die ersten notwendigen Impulse für entsprechende Regelungen.

Was eskaliert eigentlich?

Der Begriff „Eskalation“ ist aus der Kommunikation und dem Konfliktmanagement bekannt. Dort bezeichnet er die Verhärtung einer Konfrontation im Konfliktfall. Dagegen bedeutet der Begriff im Prozessmanagement im Ereignisfall die nächsthöhere Befugnisebene einzubinden.

Die ISO 9001 spricht nicht von Eskalation. Unternehmen verwenden den Begriff jedoch, wenn die nächste Hierarchieebene eingeschaltet werden muss. Die Anlässe sind unterschiedlich und hängen vom Geschäftsgegenstand ab. In den Beispielen weiter unten habe ich zwei Situationen aufgegriffen: Eine Klageandrohung aufgrund einer fehlerhaften Lieferung und ein Notfall-Programm in einem IT-Unternehmen. In Ihrem Unternehmen kommen sicherlich noch andere Situationen infrage.

Bezug zu ISO 9001

Die ISO 9001 fordert in Kapitel 10.2 „Nichtkonformitäten und Korrekturmaßnahmen“ den Umgang mit Fehlern, egal ob das interne Fehlermanagement oder das Reklamationsmanagement (extern durch den Kunden veranlasst) den Prozess anstösst. Verfolgen Sie zwei Handlungswege:

  • Suchen Sie eine Lösung für den Kunden und
  • setzen Sie intern die Verbesserungsmaßnahem um, indem die Ursache gesucht und behoben wird.

Darüber hinaus ist die Kommunikation mit Kunden (Kapitel 8.2.1) zu beachten. Schließlich ist im Falle einer Eskalation das Notfallmanagement berührt. Wenn im Eskalationsprozess die Kommunikation (Kapitel 7.4) intern und extern nicht funktioniert, können Sie schlimmstenfalls einen erneuten Notfall starten. Vergleichbar mit einem Krisenmanagement muss zuallererst die Zuständigkeit klar geregelt sein.

8D-Methode als Handlungsfaden

Wer mit der 8D-Methode vertraut ist, kann sie als Handlungsleitfaden nutzen. Denn diese Methode erfüllt die beiden Handlungswege, die von der ISO 9001 gefordert werden. Sie wird sehr regelmäßig in den Unternehmen eingesetzt, allerdings sehen manche Regelungen zwischen Geschäftspartnern beim Einsatz der 8D-Methode ein extrem engmaschiges, d. h. schnelles Reporting vor. Dabei bemängele ich hier die oftmals enge Taktung, die zu einem großen Datenfluss, aber wenig gezielter Aktion und auch nicht zwingend zu Kommunikation führt. Den logischen Aufbau von 8D schätze ich jedoch sehr.

Der Eskalationsprozess

Es ist eigentlich ein Prozess wie jeder andere auch, der nur besonders gut dann funktionieren muss, wenn er aktiviert wird. Während bei den meisten Prozessen der Ablauf und das Ergebnis im Vordergrund stehen, ist es beim Eskalationsprozess eher die Entscheidungskompetenz und die weitreichende Befugnis der zuständigen Personen. Daher ist die Darstellung des Prozesses per Swimlane oder Flussdiagramm häufig nicht sehr umfangreich. Vielmehr beschäftigt die Frage, wann es sich um einen Eskalationsprozess handelt.

Im Downloadbereich finden Sie eine Checkliste, die Ihnen mit Fragen bei der Gestaltung Ihres Eskalationsprozesses hilft. Die einzelnen Positionen finden Sie hier erklärt.

Zweck des Eskalationsprozesses

Der Eskalationsprozess führt zu einer schnellstmöglichen Entscheidung von einer dazu befugten Person. Daher besteht die Leistung des Prozesses darin, die richtige Person ohne Umwege zu adressieren und notwendige Ressourcen für den Eskalationsfall zu bündeln. Dazu werden Routineprozesse unterbrochen.

Prozess Kommunikation

Je seltener Sie den Prozess anwenden, desto besser. Dennoch sollte er im Bewusstsein der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen tief verankert sein. Üben Sie ihn regelmäßig.

Eskalation oder nicht?

Der Auslöser für die Eskalation kommt im Verlauf eines Standardprozesses daher und verlangt in diesem Moment Aufmerksamkeit. Denn die Situation muss erkannt werden, damit der eigentlich vorgesehene Prozessweg unterbrochen und der Eskalationsprozess gestartet wird. Das sorgt natürlich für Adrenalin am Arbeitsplatz. Benennen Sie möglichst genaue Kriterien, weil Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sonst dazu eingeladen werden, die Aufgabe wegzuschieben, sobald sie ein wenig unangenehm wird. Sie müssen gut geschult sein und sollten die Entscheidung unter Umständen nicht alleine treffen müssen. Dementsprechend müssen Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner klar benannt und greifbar sein.

Kommunikation

Hilfreich sind in Prozessen mit potentiellen Eskalationsauslösern tägliche Kurz-Meetings, um im Team Fehlermeldungen zu entscheiden. Diese Meetings können auch mehrmals stattfinden. Der Erfahrungsaustausch fördert das Bewusstsein. Das „Miterleben“ von Eskalationsfällen sorgt für erhöhtes Bewusstsein und mehr Sicherheit im Prozess.

Bei einem meiner Kunden zeigt sich hier ein Gruppenbüro als vorteilhaft, denn die Teamleitung und alle Mitwirkenden des Prozesses reagieren auf Zurufe.

Welches Ziel verfolgt der Prozess?

Aus dem Bauch heraus stimmen Sie vielleicht zu, wenn ich sage, dass Unternehmen froh sind, wenn Eskalationsprozesse nicht oder sehr wenig genutzt werden. Das soll nach Möglichkeit auch so bleiben. Das gute Funktionieren eines Eskalationsprozesses kann jedoch zum Aushängeschild werden, insbesondere wenn Kunden involviert sind.

Folgende Ziele verfolgt ein Eskalationsprozess:

  • schnelle Reaktion auf den Auslöser,
  • schnelle Soforthilfe,
  • kompetente Ursachenanalyse,
  • individuelle Unterstützung,
  • nachhaltige Behebung der Ursache.
Download

In der Checkliste finden Sie Anregungen zu Leistungsindikatoren. Sie sind allgemein gehalten, da ich keine konkrete Situation zugrunde legen kann.

Zum Erreichen des Ziels und der Leistungsindikatoren ist ein erhöhtes Bewusstsein notwendig. Die Beteiligten müssen den Prozess beherrschen, auch wenn er im Idealfall nur selten beansprucht wird. Gelegentliche Übungen wirken sich positiv aus.

Eskalation

Definieren Sie die Ziele mit entsprechenden Leistungsindikatoren. Diese sollten nicht nur monetär- und zeitfixiert sein.

Kommunikation – keine stille Post

Kommunikation ist im Notfall das A und O. Die ISO 9001 gibt mit ihren Anforderungen „worüber – wann – mit wem – wie – wer“ ein gutes Gerüst.

a) Inhalte der Kommunikation (worüber)
Der Auslöser bestimmt den Inhalt.

b) Zeitpunkt der Kommunikation (wann)
Kommunikation, sobald der Auslöser als solcher identifiziert ist.

c) Empfänger von Informationen (mit wem)
Legen Sie im QM-System Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner fest. Eventuell ist damit das Überspringen von Hierarchieebenen verbunden. Berücksichtigen Sie auch Stellvertretungen im Eskalationsprozess.

d) Kommunikationskanäle festlegen (wie)
Das „rote Telefon“ nutzen oder die Krisensitzung einberufen, abhängig von Ihren Möglichkeiten. Bedenken Sie alle technischen Möglichkeiten, die Sie haben. Vergessen Sie eventuelle Vertretungen nicht.

e) Zuständigkeit (wer)
Wenn dies auch der letzte Punkt der Aufzählung ist, so ist er in meinen Augen der wichtigste. Hierarchieebenen sind in der Regel Eskalationsstufen. Wenn klar ist, wer zuständig ist, dann ist auch klar, wer es nicht ist.

Eskalationsstufen im Prozess

Das nachfolgende Organigramm zeigt die Hierarchieebenen, die gleichzeitig auch Eskalationsstufen darstellen (s. Abb. 1). Auf der unteren Ebene kann die Darstellung zusätzlich in Teams unterteilt sein. Die Weisungslinie erfolgt in der Regel von oben nach unten (top-down) und der Berichtsweg von unten nach oben (bottom-up). Die Eskalationsstufen sind mit dem Berichtsweg identisch. Die einzelnen Führungsebenen müssen demnach ihre Zuständigkeiten und Befugnisse im Rahmen einer Eskalation kennen. Es empfiehlt sich oftmals, Ebenen zu überspringen, damit Eskalationen auf höherer Ebene geregelt werden. Das ist meist einfacher, da zum Beispiel die oberste Leitung die höchstmögliche Ressourcenbefugnis hat.

Kommunikation
Abbildung 1: Organigramm und Kommunikation

Das Überspringen von Ebenen sorgt in manchen Unternehmen jedoch für „Hierarchieschnupfen“: Man mag es nicht, übersprungen zu werden, was mit entsprechendem unsachlichen Verhalten honoriert wird. Das lenkt auch hervorragend von der Eskalation ab.

Eskalationen lassen sich am besten – um dem Frieden auf allen Ebenen zuträglich zu sein – in Matrixteams regeln. Personen sollten auf kürzestem Weg an die Tür von Fachkapazitäten klopfen dürfen. Es ist verständlich, dass diese „Unterbrechungen“ gut begründet sein müssen. Zum einen sollte nicht willkürlich etwas eskaliert werden, nur weil man gerade selbst keine Zeit hat. Zum anderen sollten die Unterbrechungen tatsächlich der Aufmerksamkeit der Kollegen und Kolleginnen bedürfen.

Prozess

Umgang mit Fehlern, Notfällen und Eskalationen sollte auf sachlicher Basis möglich sein. Eine positive Fehlerkultur trägt dazu bei, sich darauf zu konzentrieren und nicht persönliche Eitelkeiten in den Vordergrund zu stellen.

Eskalation bindet Ressourcen

Warum es Eskalationsstufen gibt, erklärt sich spätestens hier: Notfälle haben Vorrang, weshalb andere Prozesse unterbrochen werden. Die Unterbrechungen sind – je nach Unternehmensgröße – auf den Abzug der Ressourcen zurückzuführen. Insbesondere Personen werden verstärkt durch Eskalationen beansprucht.

Eskalation

Es wäre nun ein Leichtes, für Eskalationen Sonderrechte einzuführen. Das löst jedoch munteres Chaos aus und jedes Überschreiten von Toleranzwerten wird zur Eskalation erklärt. Betrachten Sie die vorhandenen Verantwortungen und Befugnisse (Führungskräfte und Prozesseigner) und knüpfen Sie die Zuständigkeit für Eskalationen daran an. Zu den Befugnissen zählt in der Regel schon der Zugriff auf Ressourcen.

Beispiel: Klageandrohung

Ein mittelständischer Händler mit ca. 200 Mitarbeitenden erhält auf dem Postweg das Schreiben einer Anwaltskanzlei, adressiert an die Geschäftsführung. Man vertrete den Kunden X, der das Produkt Y beim Unternehmen beziehe. Die Bestellung habe Spezifikationen beinhaltet, die nicht eingehalten seien und daher zu einem Beinah-Unfall geführt haben. Daraufhin seien alle Produkte Y der letzten Lieferung überprüft worden, mit dem Ergebnis, dass alle Teile den gleichen Fehler aufwiesen. Daher stelle man die Prüfungskosten in Rechnung und erhebe außerdem Klage … usw. Weitere Details sind nicht notwendig, da nur die Situation in diesem Fall deutlich werden soll.

Das Beispiel zeigt die nahezu klassische Vorgehensweise von traditionell organisierten Unternehmen. In der flachen Hierarchie sind die Eskalationswege kurz. In diesem Fall liegt ein Top-down-Vorgehen vor.

Der Auslöser kommt per Post

Der Auslöser kommt auf dem langsamsten Weg, der heutzutage vorstellbar ist, nämlich per Post. Dennoch ist unverzügliches Handeln gefragt. Das Schreiben ist an die Geschäftsführung adressiert. Der interne Postweg, von der Übergabe durch den Postboten zu den einzelnen Empfängern des Hauses, sollte geklärt sein und bei dieser Unternehmensgröße innerhalb kurzer Zeit abgeschlossen sein.

Prozesse kommen ins Rollen

Die Assistenz der Geschäftsführung öffnet in der Regel die Post. Zu regeln wäre, wer im Fall der Abwesenheit der Geschäftsführung über die nächsten Schritte entscheidet.

Die Geschäftsführung nimmt das Schreiben entgegen. In Eskalationsstufen gedacht, ist es somit schon an höchster Stelle der Zuständigkeit angekommen. Sie informiert sofort alle Führungskräfte und beruft ein kurzfristiges Meeting ein, in dem alle persönlich erscheinen. Der Vertriebsleiter im Außendienst wird informiert und nimmt telefonisch teil. Die Geschäftsführung informiert in der Zeit bis zum Meeting bereits den Rechtsanwalt des Unternehmens.

Delegieren mit Priorität

Die oberste Leitung setzt die Führungskräfte in Kenntnis und leitet so weitere Schritte ein. Um den eigenen Rechtsanwalt mit Informationen zu versorgen, muss

  • die Qualitätssicherung den Nachweis der Materialproben,
  • der Vertrieb die Korrespondenz zum Auftrag inkl. Spezifikationen,
  • der Einkauf die Anforderungen an die betreffenden Lieferanten zu Produkt Y sowie die Nachweise der Lieferanten über durchgeführte Kontrollen und
  • die Logistik die Nachweise der Wareneingangskontrollen

zur Verfügung stellen. Die Geschäftsführung benennt einen Zeitpunkt, bis wann sie die Informationen erwartet. Danach delegieren die Führungskräfte die Aufgaben mit Priorität in ihre Bereiche, indem sie je eine Person mit dem Zusammenstellen der notwendigen Informationen beauftragen.

Beispiel: Meldung eines Programmierfehlers

Ein IT-Dienstleister mit ca. 180 Mitarbeitenden programmiert Softwares. Die Software wird im medizinischen Bereich eingesetzt und berührt somit Leben und Gesundheit von Menschen. Hier bewirken interne und externe Auslöser das Notfallmanagement: Programmierfehler werden intern bemerkt und gemeldet oder Kunden melden eine Auffälligkeit.

Die Schwierigkeit liegt nun in der Gewichtung des bemerkten Fehlers. Eine interne Person benötigt Weitblick und gute Produktkenntnisse, damit sie den Fehler einschätzen kann. Da eine flache Hierarchie existiert, sind Wege zu den Vorgesetzten kurz. Es gehört zudem zur Kultur des Unternehmens, jederzeit Kolleginnen und Kollegen anderer Bereiche anzusprechen, ohne den formellen Weg über Führungskräfte zu gehen. Die Personen kommen so auf kurzem Weg zu sachlich guten Entscheidungen.

Fehler oder Notfall?

Für den Kunden ist die Gewichtung weitaus schwieriger. Liegt wirklich ein lebensbedrohlicher Fehler vor oder ist es ein Fehler, der die Anwendung beeinträchtigt? Die Anwenderinnen und Anwender wählen oftmals eine zu scharfe Fehlermeldung. Das heißt, sie Stufen Fehler als Notfall ein, obwohl sie sich dessen nicht sicher sind. Beim IT-Dienstleister geht somit eine Notfallmeldung ein. Das Team muss nun schnell einschätzen und entscheiden, ob die gemeldeten Notfälle mit Priorität eskaliert werden müssen oder „nur“ eine Korrektur notwendig ist. Dazu ist das Team mit ausreichend viel Personen besetzt.

Wenn tatsächlich eine Notfallmeldung vorliegt, wird sofort die technische Geschäftsführung informiert, die sofort ungeachtet der bestehenden Projektprioritäten alle Ressourcen bündelt, die für die sofortige Fehlerbehebung notwendig ist. Die Fehlermeldung erfolgt hier über wenige Eskalationsstufen buttom-up.

Fazit

  • Wenige Eskalationsstufen beschleunigen den Ablauf des Prozesses.
  • Eine kooperative Kultur im Unternehmen, die nicht auf Hierarchien aufbaut, fördert die Lösungsfindung.
  • Achten Sie darauf, die auslösenden Momente zu definieren!

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Beitragsfoto: (c) Renée Gaudet

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