Start » Legen Sie schon 2024 den Grundstein für Ihr Chancenmanagement | #78
Chancenmanagement

Wie sieht Ihr Chancenmanagement aus? Beim Stichwort „Risiko“ laufen sofort Katastrophenfilme vor dem inneren Auge ab. Streuen Sie die Frage ein „Was könnte Positives in dieser Situation sein?“, stellen Sie fest, wie schwierig eine Veränderung der Sichtweise ist. Die gesamte Berater- und Coachingszene müht sich ab, diesen Perspektivwechsel einzuleiten und nicht an den Elefanten im Raum zu denken. Chancen fallen nicht vom Himmel, sondern lassen sich erarbeiten und in Maßnahmen überführen. Rücken Sie die Chancen in den Fokus!

Chancenmanagement ist im Kommen

Im Dezember hatte ich mit meinen Gästen der QM-Sprechstunde einen munteren Austausch nach meinen Impulsen zu „Chancen in den Fokus rücken“ (Aufzeichnung in der Mediathek). Die rege Teilnahme und der lebendige Austausch haben mir gezeigt, wie hoch der Gesprächsbedarf dazu ist.

Anfang Februar bestätigte die QZ online in Ihrem Newsletter das Gefühl, das in unserem kleinen Kreis vorherrschte: Die Chancen kommen zu kurz. Denn das erste Treffen des TC 176 zur Revision der ISO 9001 hat stattgefunden und den Fahrplan für die Überarbeitung festgelegt. Auch in dieser Arbeitsgruppe war man sich einig, dass dem Chancenmanagement mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte. Vermutlich werden sich noch viele weitere QM-Aktiven darin bestätigt sehen. Gleichzeitig stellt sich die Frage, wie ein Chancenmanagement aussehen könnte.

Zu diesem Zeitpunkt stehen Anforderungen der ISO 9001:2025 noch nicht fest. Dennoch nehme ich Sie mit in meine Gedanken und Erfahrungen zum Thema Chancen.

Die leeren Spalten mit Leben füllen

Die Erfahrungen bei meinen Kunden ähneln sich: In der Beratung oder dem internen Audit kommen wir zum Risikomanagement und schauen uns eine Ausarbeitung dazu an. Meist öffnet mein Kunde dazu eine Tabelle, die entweder den Namen „Risikoanalyse“ oder „FMEA“ trägt. Manchmal heißt sie auch „Risiko- und Chancenmatrix“. In dieser Tabelle befindet sich gerne eine leere Spalte mit der Überschrift „Chancen“. Führen Chancen wirklich so ein trauriges Dasein?

An der Stelle muss ich mich korrigieren. Nicht immer ist die Spalte leer. Manchmal lese ich „Kundenorientierung“ oder „Kundenzufriedenheit erhöhen“. Mit Verlaub: Dies ist eine Worthülse, sozusagen ein Begriff, der im QM-System alles erschlägt und gerne genutzt wird, wenn die Datei zu lange geöffnet ist.

Dann muss ich feststellen, dass der Wille ja grundsätzlich da ist, sich mit Chancen auseinanderzusetzen. Aber irgendwie laufen die Gedanken immer wieder zum Risikomanagement zurück. Das ist kein Wunder.

Das Doppelpack „Risiken und Chancen“ trennen

Die ISO 9001 formuliert in ihren Anforderungen zum risikobasierten Denken immer das Doppelpack „Risiken und Chancen“. Der Begriff „Chance“ wird in der Begriffsnorm ISO 9000 jedoch gar nicht definiert. Nur die erste Anmerkung zu „Risiko“ verweist auf die mögliche positive Bedeutung.

Risiko = Auswirkung von Ungewissheit

Anmerkung 1 zum Begriff: Eine Auswirkung ist eine Abweichung vom Erwarteten – in positiver oder negativer Hinsicht.

DIN EN ISO 9000:2015, Kapitel 3.7.9

Für die Revision 2025 wünsche ich mir eine Gleichwertigkeit der Begriffe und bessere Definition. Chancen sind nicht das Abfallprodukt aus dem Risikomanagement, sondern der Grund, weshalb Risiken akzeptabel werden. Es geht nicht um eine Standortdiskussion zwischen Pessimisten und Optimisten. Die Definition mag in rein sprachlicher Hinsicht in der Logik stimmig sein. Nach fast 10 Jahren Erfahrung mit „Risiken und Chancen“ ziehe ich für mich das Fazit, dass die Definition so nicht ausreicht. Obendrein ist der Begriff durch die Einordnung in das übergeordnete Kapitel „Ergebnisbezogene Begriffe“ eingeengt. Welche Chance für das Ergebnis steckt in diesem Prozess, den wir gerade detailliert betrachten? In der Tat lässt sich das nicht jedes Mal beantworten.

Die Chance steckt fest

Der Volksmund und die Definition sind sich erstaunlich einig: Unverhofft kommt oft. Die meisten Menschen scheinen bei etwas Unerwartetem eher von etwas Negativem, also von einem möglichen Risiko auszugehen. Ist es sinnvoll, zuerst in Abwehrhaltung zu gehen? Auch plötzlich eintretende Chancen müssen analysiert und bewertet werden. Wenn in einer Situation Potenzial steckt, müssen Maßnahmen folgen, um es zu nutzen.

Geschieht etwas Unerwartetes, das nicht in den festgelegten und gewohnten Prozessen verläuft, sehen die meisten Teams darin ein Risiko. Genau das ist ein Schwachpunkt. Die Geschichtsbücher der industriellen Entdecker sind voll von Produkten, die wieder aus dem Papierkorb herausgezogen wurden. Dort waren sie gelandet, weil sie nicht dem anvisierten Ziel entsprachen. Dennoch hat noch jemand darin die Chance zu einem massentauglichen oder sogar innovativem Produkt erkannt – zum Glück!

Spot on: Hier ist die Chance

Nun wäre es übertrieben zu behaupten, dass die besten Potenziale in den Papierkörben zu finden sind. Aber stellen Sie sich die Energie vor, die im Team entsteht, wenn gezielte Aktivitäten zu Erfolgen führen. Es ist nicht nur wertvoll, Risiken zu vermeiden, es ist mindestens genauso wertvoll, Chancen aktiv zu nutzen. Auch Chancen brauchen Zuständigkeiten, Ressourcen und Controlling.

Visualisieren Sie mit der Chancenmatrix

Ihre Datei zum Risikomanagement ist wichtig und wertvoll. Was machen Sie mit der leeren Spalte? Naja, bevor Sie mit leeren Spalten ins Zertifizierungsaudit gehen, löschen Sie die lieber. Aktuell liegt die Aufmerksamkeit ohnehin noch im Risikomanagement. Das wird sich jedoch sehr bald ändern.

Sie brauchen nicht auf die Normenrevision zu warten, denn mit Chancen können Sie sich jederzeit auseinandersetzen. Mögliche Methoden und Tools kennen Sie bereits, denn Sie haben Sie bisher zur Risikobetrachtung eingesetzt:

Die nachfolgende Abbildung 1 dürfte Sie rein optisch schon an eine typische Darstellung in der Risikoanalyse erinnern. Lediglich die Farbreihenfolge ist vertauscht. Der rote Bereich ist Richtung Nullpunkt bei „niedrig“ zu finden und der grüne Bereich bei „hoch“. Ich habe mich hier für nur neun Felder entschieden. Es steht Ihnen frei, das Diagramm mit mehr Feldern zu vergrößern.

Chancenmanagement
Abb. 1: Chancenmatrix | © Elke Meurer

Chancen aktiv managen

Es gibt tatsächliche viele Parallelen zwischen Risiken und Chancen. So sind sie zum Beispiel auf jeder Ebene zu finden: Unternehmens- und Prozessebene. Dem gegenüber steht jedoch auch ein großer Kontrast:

Das Mindset im Risikomanagement ist reaktiv

Im Risikomanagement geht es darum, etwas zu vermeiden oder Ausmaße zu verringern. Die Präventivmaßnahmen werden eingeleitet, aber das war dann schon der aktive Anteil. Von nun an sind Aufmerksamkeit und Reaktionsvermögen gefragt.

Chancen brauchen ein aktives Mindset

Ganz anders ist es im Chancenmanagement. Hier dürfen die Teammitglieder ihre Gedanken schweifen lassen, gerne mit einem Brainstorming. An der Stelle dürfte plausibel werden, warum im Qualitätsmanagement Umfeld und Stakeholder (Kontext der Organisation) eine so große Rolle spielen. Welche Chance ergibt sich aus der bevorstehenden Gesetzesänderung zum Thema X? Falls Sie Gesetzesänderungen bisher nur mit einengenden Gefühlen betrachtet haben, suchen Sie doch nach dem Potenzial, das darin liegt.

    Chancenmanagement mit zwei Parametern bewerten

    Die längste Wunschliste nutzt nichts, wenn sie nicht umgesetzt wird. Sie können nach dem kreativen Brainstorming intuitiv weitermachen und Punkte zur Priorisierung aufkleben. Das ist okay. Ich empfehle Ihnen noch eine andere Herangehensweise. In der Abbildung 1 dürften Ihnen die beiden Parameter „Wirkungsgrad/Nutzen“ und „Wahrscheinlichkeit der Realisierung“ aufgefallen sein. Bei je drei Feldern ist eine Einstufung niedrig – mittel – hoch sinnvoll. Stellen Sie dazu folgende Fragen:

    Wirkungsgrad/Nutzen

    • Welche Wirkung hat die Chance, wenn wir sie weiter verfolgen?
    • Welchen Nutzen hat die Chance in Bezug auf Prozessleistung/Produkt/Dienstleistung?
    • Wie hoch schätzen wir den Wert in Relation* zueinander ein?

    *Betrachten Sie die Schlagworte aus Ihrer Chancenliste in Relation zueinander: Q hat einen höheren Nutzen als X. So vermeiden Sie, dass alle Chancen das gleiche Ranking erhalten.

    Wahrscheinlichkeit der Realisierung

    Stellen Sie Fragen, die die Machbarkeit der Chancen beleuchten. Auch hier gilt wieder, die einzelnen Chancen in Relation zueinander zu sehen. Auf diese Weise beugen Sie einem „Zuviel“ vor. Wenn zu viele Themen im grünen Bereich landen, sinkt die Wahrscheinlichkeit der Realisierung eher.

    • Welche Priorität hat Chance Q gegenüber Chance X?
    • Haben wir die Ressourcen für die Realisierung?
    • Wie wahrscheinlich ist die Realisierung der Chance?

    Grün: Aus Chancen werden Ziele

    Die Auswahl der Chancen, die im grünen Bereich liegen, werden zuerst zu konkreten Zielen. Sie haben den höchsten Grad der Wahrscheinlichkeit bezüglich Nutzen und Realisierung.

    Die Themen im gelben Bereich sind sozusagen die Anwärter für die nächste Runde. Wann diese Runde startet, lässt sich zu diesem Zeitpunkt kaum sagen, aber heben Sie die Chancenmatrix bitte auf.

    Es kann sein, dass ein Thema zum wiederholten Mal, sagen wir bei der dritten oder fünften Bewertung mit der Chancenmatrix, „nur“ im gelben Bereich landet. Dann empfehle ich, es zu hinterfragen. Es scheint ja nicht so wichtig und nützlich zu sein. Bisher hat wahrscheinlich der Ressourcengedanke dazu beigetragen, dass es nicht umgesetzt wurde. Wenn es aber wiederholt keine Priorität bekommt, ist es entweder nicht so wertvoll oder muss noch einmal genauer betrachtet und formuliert werden.

    Setzen Sie die Chance mit Plan um

    Bis hierhin haben Sie Chancen gefiltert und mit Hilfe der Matrix priorisiert. Nun wird es konkret, indem Sie die Chance in ihre Planung integrieren. Weisen Sie Ressourcen, Zuständigkeiten und einen Termin zu.

    Bewerten Sie die Umsetzung

    Die Risikoanalyse muss jährlich in der Managementbewertung berücksichtigt werden. Genauso betrachten Sie die Chancenmatrix. Letztlich leiten Sie auf diese Weise Maßnahmen ein, die reaktiv sind und sein müssen (Schwerpunkt Risikomanagement). Gleichzeitig treiben Sie den kontinuierlichen Verbesserungsprozess aktiv an, indem Sie Chancenmanagement betreiben.

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    Wie sieht Ihr Chancenmanagement aus? Chancen fallen nicht vom Himmel, sondern lassen sich erarbeiten und in Maßnahmen überführen. Rücken Sie die Chancen in den Fokus!
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