Chancen kommen in der Diskussion im Qualitätsmanagement ein wenig zu kurz. Mit der Revision der ISO 9001 hat die Formulierung „Risiken und Chancen“ Einzug in die Norm erhalten und ist somit ein Teil des risikobasierten Denkens. Es ist kaum zu leugnen, dass Risikomanagement seither einen (berechtigten!) Aufwind erfahren hat.
ISO 9001 möchte eine Analyse der Risiken und ein Festlegen von Maßnahmen, damit innerhalb der Prozesse den „unerwünschten Auswirkungen“ begegnet werden kann. Vollkommen gut und richtig.
Welche Maßnahmen stärken in Ihren Prozessen die „gewünschten Auswirkungen“?
Beherrschter Prozess
Jetzt können wir uns die Arbeit erleichtern und die These in den Raum stellen, ein beherrschter Prozess sei die gewünschte Auswirkung. Auf diesem Niveau sollten wir uns jedoch nicht bewegen. Ich möchte die Definition der ISO 9000:2015 nutzen, um der Bedeutung von „Chance“ im Normenkontext deutlich zu machen.
Risiko ist definiert als: „Auswirkung von Ungewissheit“ (3.7.9). In der Anmerkung 1 steht: „Eine Auswirkung ist eine Abweichung vom Erwarteten – in positiver oder negativer Hinsicht.“Somit ist mit dieser Definition auch der Begriff „Chance“ definiert.
Eine Chance ist also genauso ein Verlassen des regulären Weges wie ein Risiko.
Risiko = Chance
Es ist kein bloßer Motivationsspruch zu sagen: „In jedem Risiko steckt eine Chance“. Wenn ein oder mehrere Kundenaufträge neue Möglichkeiten eröffnen, steckt darin beides. Die Chance, Innovationen auf den Markt zu bringen und neue Marktanteile zu erreichen, und das Risiko, welches mit der Investition und der Entwicklung des Marktes einhergeht.
Bewusstsein für Stärken fördern
Unternehmen treten selbstbewusster auf, wenn sie nicht nur ihre Risiken, sondern auch ihre Chancen kennen. Dieses Selbstbewusstsein findet sich bei den Mitarbeitern wieder, weil ihnen die Chancen ihrer Tätigkeiten bewusst sind. In Audits treten sie wesentlich überzeugender (da weniger zögerlich) auf.
Stellen Sie sich die Situation vor: Mitarbeiter werden auf das Zertifizierungsaudit vorbereitet. Es werden noch einmal alle in den wesentlichen Schritten des Prozesses gebrieft, besonders zum Thema Risiko. Die Geschäftsführung hat eine Risikomatrix und Entscheidungen zum Umgang mit Risiken gefällt. Dann kommt der Auditor mit der Frage „Was sind Ihre Chancen?“. Die Geschäftsführung weiß hier in der Regel eine Antwort zu geben – Mitarbeiter sind eher verunsichert.
Chancen sind Ihre Stärken
Welche Stärken haben Ihre Prozesse? Ist es die Transparenz? Zuverlässigkeit? Schnelligkeit? Sie fragen sich nun möglicherweise wie Sie zu diesen Chancen finden. Vor gut zwei Jahren habe ich im QMB Infobrief (Nr. 16) die SWOT-Analyse erklärt. Diese Methode ist aus meiner Sicht sehr gut einsetzbar, weil sie sowohl „hausgemachte“ und externe Einflüsse berücksichtigt.
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