Startseite » Wirksame Prozesse: Du musst nicht alles dokumentieren, um wirksame Prozesse zu haben | #81

Das Team arbeitet an Lösungen. Es geht dabei um ein neues Kundenprojekt und die Köpfe rauchen. Gerade entsteht etwas Neues und die Begeisterung dafür ist greifbar. Denn alle können ihre Fachkompetenz, Erfahrung und Ideen einbringen. So fliegen die Gedanken wie ein Ball hin und her. „Wie haben wir das zuletzt nochmal gemacht? Da war doch was besonders wichtig. Wir hatten gesagt, dass wir darauf achten wollen.“ – „Ja, ich erinnere mich. Hier ist die Notiz! Das stimmen wir mit dem neuen Pflichtenheft nochmal ab, aber die wesentlichen Meilensteine stimmen.“ Es läuft! Und die Kaffeemaschine hat Hochkonjunktur.

Wenn Sie aus dem Bereich QM mit der Frage „Sind eure Prozesse wirksam?“ nun an das Team herantreten, ernten Sie als Antwort leere Blicke. Dabei müsste nach der Beobachtung die Antwort doch nur so heraussprudeln. Woran Sie wirksame Prozesse erkennen, erfahren Sie in diesem Beitrag. Zum Abschluss verrate ich Ihnen noch, wie Sie mit dem Thema im internen Audit umgehen.

Wann sind Prozesse wirksam?

Im Qualitätsmanagement bleibt uns nichts anderes übrig als eine abstrakte Sprache zu nutzen. Oder? Aber stellen Sie sich vor, alle im Unternehmen würden nur in ihrer Fachsprache reden. Diese Vorstellung klingt wenig attraktiv. Einerseits können wir es nicht vermeiden, andere in die eigene Fachsprache einzubinden. Andererseits können wir uns immer über diejenigen freuen, die uns mit einer Gegenfrage antworten: „Was meinst du damit?“. Sind Sie auf die Gegenfrage vorbereitet? Ich möchte Ihnen drei Kriterien an die Hand geben, woran Sie gelebte Prozesse erkennen:

1. Mitarbeiterzentrierung

Die Menschen im Prozess sind die Fachleute. Nicht nur das, denn sie sorgen auch dafür, dass Projekte in die nächste Phase übergehen, Prioritäten gesetzt und Termin eingehalten werden. Je größer das Team wird, desto mehr entsteht der Wunsch danach, sich zu strukturieren und abzustimmen. Es ist also ein Bedürfnis aus dieser Gruppe, sich auf bestimmte Kriterien und Schritte zu einigen.

An dieser Stelle kann ein Prozessmanagement sehr gut unterstützen. Denn die gemeinsame Fachsprache aus der Prozesstheorie hilft bei der Verständigung über Prozesse und Schnittstellen. Dabei wird der Fokus gerne in Richtung Dokumentation gelenkt. Viel hilfreicher ist es stattdessen, die Dokumentation als Nebenprodukt zu betrachten. Dann werden Prozesse oft ganz anders gestaltet als der „Grundkurs Dokumentation im Qualitätsmanagement“ es vorsieht:

  • Flussdiagramme entstehen dann, wenn sie sinnvoll sind. Nur dann, wenn eine Reihenfolge von Tätigkeiten wirklich wichtig ist, ist ihr Einsatz hilfreich.
  • Art und Menge der Visualisierung bestimmt das Team, denn die Teammitglieder müssen die Darstellung verstehen. Alle anderen dürfen sich „reindenken“ (zum Beispiel Auditoren).
  • In der Dokumentation werden die Informationen festgehalten, die das Team wirklich braucht. Manchmal sind das eben nicht die Prozessschritte, sondern die Randnotizen, die sonst auf Schmierzetteln landen.
Ist die Reihenfolge für wirksame Prozesse wichtig?

Verabschieden Sie sich von Gestaltungszwängen, die seit Jahr und Tag mit der Überschrift „so macht man das“ kursieren. Zu der Zeit, als diese Gestaltungsregeln entstanden, waren sie notwendig. Inzwischen hat sich die QM-Welt jedoch weitergedreht. Der Einsatz von moderner Software (zum Beispiel Q.wiki) gibt Ihnen ganz andere Möglichkeiten, auch dann, wenn Sie anspruchsvollere Anforderungen an die Dokumentation berücksichtigen müssen als die ISO 9001.

Ein Prozess ist wirksam, wenn er so gestaltet ist, dass Menschen ihn mit ihrem Fachwissen und ihrer Berufserfahrung mühelos umsetzen können.

2. Praxisrelevanz und Mehrwert

Die praktische Aufgabe von Prozessen besteht darin, Probleme zu lösen. Deshalb engagieren sich Menschen in ihren Teams und Abteilungen dafür. Während Abteilungen das fachliche Know-how bündeln, verbinden Prozesse die einzelnen Fachbereiche miteinander.

Im Fokus steht also der Sinn des Prozesses und nicht abstrakte Elemente. Der Mehrwert des Prozesses beantwortet die Frage: Warum gibt es den Prozess überhaupt? Hierbei geht es nicht allein um wertschöpfende Prozesse.

  • Wertschöpfende Prozesse gibt es, weil sie den Unternehmenszweck erfüllen. Sie stellen Produkte her und dem Kunden zur Verfügung. Gleichzeitig erbringen sie Dienstleistungen, die auch für den Kundenkreis einen Mehrwert darstellen.
  • Unterstützende Prozesse gibt es, weil sie dafür sorgen, dass die wertschöpfenden Prozesse jederzeit funktionieren.
  • Führungsprozesse gibt es, weil sie relevante Entscheidungen treffen und Strategien verfolgen.

Der Umgang mit Kennzahlen ist eine Aufgabe der Führungskräfte. Was ist darüber hinaus für den einzelnen wichtig? Tja, mal ehrlich: Wer arbeitet schon gerne an etwas, dessen Sinn sich nicht erschließt?

Ein Prozess ist wirksam, wenn er Sinn stiftet, Lösungen und Mehrwert erzeugt.

3. Kontinuierliche Verbesserung (KVP)

Es kursiert das Gerücht, man erkenne einen lebendigen Prozess daran, wie oft dessen Dokumentation überarbeitet wurde. Nun, da ist was dran!

KVP bedeutet jedoch auch, Dynamik zuzulassen. Den Prozessbeteiligten und Schnittstellen-Anrainern muss es gestattet sein, Verbesserungen dann vorzunehmen, wenn es ihnen einfällt. Manchmal passiert lange Zeit nichts und dann wird innerhalb von drei Wochen alles in Frage gestellt.

Ein Prozess ist wirksam, wenn Teams ihn kontinuierlich verbessern und dabei eine Dynamik an den Tag legen, die dem Unternehmensgegenstand gerecht wird.

Welche Hürden müssen Sie überwinden?

Spagat: Dynamik und Dokumentation

Im Qualitätsmanagement müssen wir manchmal etwas aushalten. Dokumentation wird nicht sofort angepasst, weil neue Prozessschritte ausprobiert werden. Hier wurde schon so mancher QMB auf die Geduldsprobe gestellt. Sorgen Sie dafür, dass die Beteiligten den Pluspunkt der Dokumentation erkennen: Struktur!

Einst sind die Teammitglieder vom Baum der Notizensammler herabgestiegen, um sich in einer strukturierten Umgebung zu vergrößern. Nun sollte es keinen Rückschritt geben. Es ist nachvollziehbar, wenn Ideen erst praktisch erprobt werden. Wenn das „Nebenprodukt Dokumentation“ jedoch als wertvolle Klarheit gilt, ist der Spagat machbar.

Akzeptanz und Verständnis füreinander

Das Seufzen und Stöhnen der QMBs kenne ich schon lange: Keiner versteht, dass die Doku aktuell sein muss. Keiner versteht, dass der Prozess vollständig dargestellt sein muss.

Ich stelle die Frage mal bewusst in die andere Richtung: Akzeptieren Sie als QMB, dass nicht wirklich jeder Schritt dokumentiert werden muss? Haben Sie Verständnis dafür, dass nicht in jeder Prozessdarstellung ein Flussdiagramm enthalten ist? Stellen Sie sich im externen Audit auch mal breitbeinig vor Ihre Teamkollegen und verteidigen deren Vorgehensweise?

Ja, wir müssen Anforderungen erfüllen und Normenkonformität belegen. Das ist im Kontext der integrierten Managementsysteme mit strengeren Anforderungen als die ISO 9001 sie stellt keine Kleinigkeit.

Welche Fragen stellen Sie im internen Audit?

Die Menschen sind stolz auf das was sie tun und zeigen das auch gerne. Die einen tun es etwas lauter, die anderen etwas zurückhaltender. Unter ihnen sind kluge Köpfe mit Berufserfahrung und pfiffige Jungtalente mit Vorstellungen von dem, was sie erreichen wollen. Alle können sie im internen Audit Freude an der konstruktiven Auseinandersetzung entwickeln, wenn wir aus dem QM sie dazu einladen. Unsere Aufgabe ist die Gesprächsführung.

Zuerst der Prozess, später die Dokumentation

Beginnen Sie das interne Audit mit der Dokumentation oder lassen Sie sich erst etwas zeigen bzw. erklären?

Die Dokumentation ist ein sicherer Hafen, die wir schon am Schreibtisch einsehen können. Die meisten bereiten sich ohnehin damit vor. Also ist der Einstieg mit der Frage nach der Dokumentation ein Warm-up für das Auditpersonal. Für die Prozessbeteiligten ist das der eher langweilige Teil. Trauen Sie sich doch mal gleich ins Geschehen des Prozesses hinein und vielleicht setzen Sie für Ihre Fragen nur einen Schwerpunkt. Der Einblick in die Dokumentation ergibt sich.

Fragetypen Schema F – oder doch mal anders

Nun haben Sie extra einen Lehrgang besucht, damit Sie im Audit die richtigen Fragen stellen, und ich komme mit „oder doch mal anders“. Ja, Sie sollen das Gespräch führen und Fragen stellen. Dazu brauchen Sie jedoch keine ellenlange Frageliste. Sie brauchen die richtige Stelle am Spielfeldrand, von wo aus Sie den Ball ins Feld werfen. Der Ball ist Ihre Frage. Die Stelle am Spielfeldrand ist vielleicht audituntypisch:

  • Welche Änderung im Prozess kommt auf euch zu?
  • Was nervt euch an den Schnittstellen?
  • Was findet ihr so richtig toll?
  • Wenn der Prozess den 10. Geburtstag feiert: Was wünscht er sich?

Mein Fazit für Sie

Sie sehen: Wirksame Prozesse sind keine Raketenwissenschaft, die in verstaubten Ordnern schlummert. Im Gegenteil! Sie leben von den Menschen, die sie täglich mit Leben füllen, vom klaren Mehrwert, den sie stiften, und von einer gesunden Portion Dynamik. Es geht darum, gemeinsam besser zu werden und nicht darum, jedes Detail akribisch festzuhalten, nur weil „man das so macht“.

Als Sparringspartnerin im Qualitätsmanagement möchte ich Sie ermutigen: Trauen Sie sich, die ausgetretenen Pfade zu verlassen! Hören Sie auf Ihr Bauchgefühl und auf das, was Ihr Team wirklich braucht. Mit ein bisschen Mut, einem offenen Ohr und vielleicht der einen oder anderen unkonventionellen Audit-Frage gestalten Sie Prozesse, die nicht nur auf dem Papier glänzen, sondern in der Praxis echte Wirkung entfalten. Und das ist es doch, was am Ende zählt, oder?

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