Beschwerden haben einen schalen Beigeschmack, schließlich ist der Kunde nicht zufrieden. Dabei ist das ganze QM-System darauf ausgerichtet, den Kunden zufriedenzustellen. Es mag ja bizarr klingen, aber tatsächlich ist es positiv, wenn jemand mit seinem Anliegen auf Sie zukommt.
Ein Klima zum Kümmern
Kunden haben sensible Antennen und spüren, wenn sie sich beschweren dürfen. Da ist jemand am anderen Ende der Telefonleitung, der zuhört und tatsächlich Lösungen sucht. Es fühlt sich ganz anders und vor allem abweisend an, wenn dort jemand ist, der Beschwerden nervig findet oder gar fürchtet.
Einige der folgenden Aussagen dürften Ihnen bekannt vorkommen:
„Der Kunde ist unser bester Berater.“
„Wenn der Kunde noch mit uns spricht, haben wir ihn noch nicht verloren.“
„Der Kunde zeigt uns unsere Schwächen.“
„Beschwerden sind Chancen.“
Das sind keine abgedroschene Phrasen, sondern Wahrheiten.
Damit die konstruktive Seite einer Beschwerde fruchtet, brauchen Sie im Unternehmen ein Arbeitsklima, in dem Fehler akzeptiert und produktiv betrachtet werden. Die Suche nach Schuldigen ist kontraproduktiv. – Das dürfte sich mittlerweile rumgesprochen haben.
Von Jammern bis Fakten
Kreisen wir doch erst einmal ein, was eine Beschwerde ist. Dazu finde ich Definitionen immer hilfreich. Die ISO 9000 hat die Definition der ISO 10002 übernommen:
„Ausdruck der Unzufriedenheit, die gegenüber einer Organisation in Bezug auf deren Produkt oder Dienstleistung oder den Prozess zur Bearbeitung von Reklamationen selbst zum Ausdruck gebracht wird, wenn eine Reaktion beziehungsweise Klärung explizit oder implizit erwartet wird.“
Wie auch die Einschätzung von Kundenzufriedenheit, ist die Beschwerde ein subjektives Empfinden des Kunden.
Die Art und Weise, wie dieses Empfinden mitgeteilt wird, ist sehr unterschiedlich: Die Skala reicht von polternd bis sachlich. Tatsache ist jedoch, dass der Kunde ein Anliegen hat und sich an Sie wendet.
Anforderungen ISO 9001:2015 zu Beschwerden
Die neue Fassung der ISO 9001 bring keine Neuerung bezüglich Beschwerden. Aber es schadet nicht, sich noch einmal die betreffenden Textpassagen genauer anzuschauen:
- Kommunikation mit den Kunden (8.2.1)
- Kundenzufriedenheit (9.1.2)
- Managementbewertung (9.3)
- Nichtkonformität und Korrekturmaßnahmen (10.2)
Eine Organisation muss dem Kunden überhaupt ermöglichen, sich beschweren zu können. Dazu sind kommunikative Lösungen zu finden (8.2.1). Es muss also intern ein Prozess existieren, in dem Zuständigkeiten und Befugnisse eindeutig geklärt sind, sodass ein zügiger Ablauf möglich ist. Fordern Sie den Kunden auf, sich bei Unstimmigkeiten an Sie zu wenden. Egal mit welchem Anliegen der Kunde zu Ihnen kommt – das ist allemal besser, als wenn er gleich zum Wettbewerber geht.
Reklamationen sind Kundenunzufriedenheiten. Eine Auswertung hierzu wird als Information zur Auswertung von Kundenzufriedenheiten hinzugezogen (9.1.2).
Die Kundenzufriedenheit muss in der Managementbewertung berücksichtigt werden (9.3). Also auch die Reklamationen.
Das Unternehmen muss einen Prozess gestalten, der intern den Umgang mit Reklamationen weiter verfolgt (10.2). Es gibt schließlich eine Ursache, weshalb ein Fehler (Nichtkonformität) passiert ist. Die Ursache gilt es zu finden, abzuwägen und mit angemessenen Maßnahmen zu behandeln. Ein gängiges Vorgehen bei Reklamationen lehnt sich an die 8D-Methode an.
Leistungsindikator für Reklamationen
Jeder Prozess braucht Leistungsindikatoren. Für Reklamationsprozesse werden gerne Durchlaufzeiten gewählt. Dem widerspreche ich nicht, denn in dieser sensiblen Situation muss schnell gehandelt werden.
Aber wie wäre es mit einer weiteren Kennzahl? Vielleicht: Erhöhung der Reklamationsquote um x% im Vergleich zum letzten Geschäftsjahr.
Damit fordern Sie Ihre Belegschaft auf, die Ohren zu spitzen und Reklamationen wahrzunehmen. Eine festgestellte Beschwerde löst den Reklamationsprozess aus. So werden vielleicht auch die Beschwerden festgestellt, die nicht mit Vehemenz, sondern zaghaft vorgebracht werden.
„Sind Sie jetzt zufrieden?“
Ich empfehle Ihnen nach Abschluss einer Reklamation den Kunden, um eine Rückmeldung zu bitten.
Eine Reklamation kann sich auch auf die Bearbeitung von Reklamationen beziehen. Umgekehrt können Sie mit einem guten Bearbeitungsprozess die Zufriedenheit wieder herstellen. Es ist für Sie sehr wertvoll, eine Rückmeldung zum Prozess zu bekommen.
Kunden sind zufriedener, nachdem Sie sich gekümmert haben.
Foto (c) mohamed Hassan