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Krisenmanagement

Krise ist ein inflationär benutzter Begriff in unserer täglichen Kommunikation geworden. Der Duden gibt folgende Hilfestellung:
„schwierige Lage, Situation, Zeit [die den Höhe- und Wendepunkt einer gefährlichen Entwicklung darstellt]; Schwierigkeit, kritische Situation; Zeit der Gefährdung, des Gefährdetseins“.
Der Definition möchte ich zwei wichtige Aspekte entnehmen: Es ist ein Zeitpunkt, der bedrohlich und gleichzeitig ein Wendepunkt ist. Ob die Krise nun wirklich gefährlich endet oder sich zum Guten wendet, steht zu dem Zeitpunkt noch nicht fest. Daher ist es gut, wenn wir Krisen erkennen und so handeln, dass es nicht mehr gefährlich ist.

In den beiden letzten QMB Infobriefen war Risikomanagement das Schwerpunktthema. Krisenmanagement bildet den Abschluss dieser Trilogie.

Die letzten 20 Meter brauchen Kommunikation

Risikomanagement ist der Aufwand, den wir betreiben, damit es nicht zu dieser zugespitzten Situation kommt. Das setzt voraus, die potentiellen Gefahren zu erkennen und Steuerungsmaßnahmen vorzusehen. Der betriebene Aufwand ist dabei unter Umständen hoch. Gewöhnlich verfolgt ein Unternehmen das Prinzip, mit dem geringsten Aufwand die größtmögliche Wirkung erzielen zu wollen. Nur beim Thema Risiko wird der Spieß umgedreht. Nach Paretos 20-80-Regel (20 Prozent Aufwand und 80 Prozent Wirkung) kommt es also zu 80 Prozent Aufwand, damit die 20 Prozent so gut wie möglich laufen.

Anders gesagt: Im Risikomanagement sind wir bisher 80 Meter gelaufen. Es fehlen uns jetzt noch 20 Meter, die wir gehen müssen, um die Kehrtwende ins Positive hinzubekommen. Die letzten 20 Meter heißen Krisenmanagement.

Das Risiko ist da und los geht das Krisenmanagement

Stellen Sie sich vor, das Risiko tritt ein und keiner bekommt es mit. Das ist unwahrscheinlich, da Risiken häufig eine gewisse Wucht haben.

Beispiel Reklamation: Mit der Eingangspost trifft eine Reklamation eines Kunden ein, die mit einer Regressforderung gekoppelt ist. Dieser Brief ist nicht vom Kunden, sondern von seinem Rechtsanwalt addressiert an Ihre Geschäftsführung. Die geforderte Summe verursacht einen erheblichen Verlust Ihrer Liquidität. Da sich der Kunde die Forderung weiterer Summen aufgrund von Folgeschäden offen hält, könnte damit noch weiterer Schaden auf Sie zukommen.

Wer bekommt es mit?

Der Brief ist an die Geschäftsführung adressiert und wird ihren postalischen Weg dorthin finden. Gut ist, wenn die Geschäftsführung in der Situation im Haus ist. In größeren Unternehmen öffnet das Sekretariat oder der Empfang die Post und verteilt sie an die Empfänger. In kleinen Unternehmen liegt die Post bei Abwesenheit der Geschäftsführung auch schon mal gerne ungeöffnet ein paar Tage auf dem Schreibtisch. Also:

  • sorgen Sie dafür, dass Prozesse ein Risiko erkennen
  • Kommunikationswege und Berechtigungen klären
  • schieben Sie nichts auf, erst recht nicht, wenn es unangenehm ist

Prioritäten ändern und Stopp für andere Aktivitäten

Die Geschäftsführung ist anwesend. Sie liest den Brief und handelt sofort: Alle Führungskräfte werden zu einer Besprechung einberufen und Kontakt zum Rechtsanwalt aufgenommen. Es gilt nun, sich juristisch zu wehren. Der eigene Rechtsanwalt kann jedoch nur sinnvoll agieren, wenn Sie ihn mit Informationen versorgen. Dazu müssen die Führungskräfte aus Ihren Bereichen aussagekräftige Dokumente vorlegen.
Das Tagesgeschäft wird in diesem Moment entweder umterminiert oder an andere Personen delegiert.
Möglicherweise kommen erhebliche Ausgaben auf das Unternehmen zu. Aktuell vorhandene Pläne zu Investitionen müssen vielleicht gestoppt werden. Dieser Stopp muss veranlasst werden und darf nicht in Vergessenheit geraten.

Kommunikation muss im Krisenmanagement funktionieren

In dieser Situation wird es wohl sehr deutlich: Wenn jetzt die Kommunikation im Unternehmen nicht funktioniert, funktioniert auch das Krisenmanagement nicht. Sehen Sie daher einen gesonderten Ablauf für Krisenkommunikation vor. Dazu gehören die Öffentlichkeitsarbeit bzw. Kommunikation mit Kunden im Notfall.

Forderungen der ISO 9001:2015

Die ISO 9001:2015 spricht nicht von Krisen, aber ihre Anforderungen führen zu Mechanismen, die in diesem Fall greifen.

Kapitel 7.4 Kommunikation
Kapitel 8.2.1 e) Kommunikation mit Kunden in Notfällen

Die Anforderungen des Kapitels Kommunikation sind ein sehr guter Leitfaden. Meistens sorgt dieses Kapitel aufgrund des sehr allgemeinen Charakters (Kommunikation ist allgegenwärtig) für Unsicherheit wie es umzusetzen ist. Legen Sie selbst Schwerpunkte, in diesem Fall ist es die Krisenkommunikation. Die Normenanforderungen im Einzelnen:

a) Inhalte der Kommunikation (worüber)
Der ergibt sich in diesem Fall aus der Sachsituation. Die Inhalte können jedoch schon auf ein bestimmtes Wording hinweisen. D.h. Sie legen eventuell Formulierungen fest, die andere verwende sollen bzw. vermeiden müssen.
Dahinter steckt das Anliegen, sich juristisch nicht selbst ans offene Messer zu liefern.

b) Zeitpunkt der Kommunikation (wann)
Im Krisenfall muss intern die Geschwindigkeit und die sofortige Reaktion klar sein. Dazu gehört natürlich, dass Ansprechpartner erreicht werden können.

c) Empfänger von Informationen (mit wem)
Wer muss welche Information bekommen? In Fällen wie im Beispiel beschrieben, werden in der Regel sofort Führungskräfte informiert. Das ist richtig. Inwieweit müssen Informationen noch an weitere Personen außerhalb des Führungskreises übermittelt werden?

d) Kommunikationskanäle festlegen (wie)
Sie erinnern sich an das oft bemühte Bild des „roten Telefons“. Diesen Ansatz gab es für Krisensituationen schon immer: ein Kommunikationskanal steht fest, der sonst nicht genutzt wird. Damit wird eine Priorität eingeräumt. In Zeiten von E-Mail und Smartphones ist das vielleicht nicht mehr der angesagte Weg.
Für E-Mails lässt sich aber eine Betreffzeile festlegen (siehe Punkt a). Vergleichbares lässt sich für Textnachrichten auf Mobilgeräte vereinbaren.
Dieser Betreff sollte jedoch nicht überstrapaziert werden, weil er dann seine Wirkung verliert.

e) Zuständigkeit (wer)
Wenn dies auch der letzte Punkt der Aufzählung ist, so ist er in meinen Augen der wichtigste. Hierarchieebenen sind in der Regel Eskalationsstufen: Immer wenn etwas nicht ordnungsgemäß läuft, wird eine Ebene „nach oben“ eskaliert. Und außerdem:
Wenn klar ist, wer zuständig ist, dann ist auch klar, wer es nicht ist.

Probelauf für die Krise

Es ist üblich, eine Brandschutzübung durchzuführen. Ein Feuer darf ich einer Krisensituation wohl mit Fug und Recht gleichsetzen. Werden bei Ihnen Anstrengungen unternommen, andere Krisenfälle zu proben?
Bei einer Brandschutzübung geht es darum, dass Menschen wissen wie sie sich verhalten müssen. Stromausfälle werden geprobt, wenn ein Generator zur Verfügung steht.
Suchen Sie einen Weg, den theoretischen Krisenplan auszuprobieren. Es geht – wie bei der Brandschutzübung – sehr häufig um Bewusstsein für die Situation.
Das sind Ihre letzten 20 Meter zum Wendepunkt ins Positive.

Zusammenfassung Teil 3

  • Zuständigkeiten für Risikofälle vorsehen (Krisenmanager)
  • Vertretung berücksichtigen
  • Priorität einräumen
  • Zuständigkeiten und Kommunikation festlegen
  • Möglichkeiten zum Probelauf suchen

Foto © Gerd Altmann

#QM-Tutorial Risikomanagement

Eskalationsprozesse darstellen | #66 mit Checkliste und Beispiel

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